Unter Korsaren verschollen by Werner Legere

Unter Korsaren verschollen by Werner Legere

Autor:Werner Legere [Legere, Werner]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2006-09-27T12:30:20+00:00


ANGRIFF AUF ALGIER

Es war schwer gewesen, den fiebernden El-Fransi nach La Calle zurückzubringen. Als Pierre-Charles Wochen darauf das Lazarett in der Korallenfischerstadt verlassen konnte, stand fest, daß nur ein langer Aufenthalt in der Heimat die zerrüttete Gesundheit wiederherstellen wür-de. Der Arzt hatte sogar angedeutet, daß eine Rückkehr nach Algerien überhaupt nicht in Frage komme, wenn nicht das Schlimmste eintreten sollte.

So plant der Franzose, sich im gemäßigten Klima nie-derzulassen, irgendwo im Norden Frankreichs, und sich mit seinem wissenschaftlichen Werk zu beschäftigen, zu dem ihm Parvisis Kunst vorzügliche Zeichnungen beige-steuert hat.

Ah, Parvisi, an dessen Sohn die Türken ein Verbrechen begehen! denkt de Vermont. Was soll nun geschehen, da der erfahrene Jäger El-Fransi nicht mehr helfen kann, den Jungen zu finden und zu befreien?

El-Fransi wird nicht mehr sein! Gewiß, für lange Zeit werden seine Abenteuer noch an den Lagerfeuern, in den Hütten, an den Brunnen und Rastplätzen erzählt werden, aber eben als: »Es war einmal… «

Der einst lebende El-Fransi wird zur Märchengestalt, zum Sagenheld werden.

Warum das? Muß denn El-Fransi Pierre-Charles de Vermont sein?

Der Franzose greift zur Feder, wirft ein paar Zeilen für den abwesenden Parvisi auf ein Blatt Papier. Dann reitet der kranke Mann langsam hinaus zu Selim.

Der Neger folgt gespannt den Worten des Freundes.

Schweigt. »Das ist alles, Selim. Was hältst du davon?«

»Du nimmst mich nicht mit? Hast du dich jemals über mich beklagen müssen?«

»Wie kannst du fragen! Aber sieh, Marseille ist eine große Stadt, anders als Algier, als Constantine, Bona oder gar unser winziges La Calle. Du würdest schwer in ihr leben können. Wahrscheinlich werde ich nicht in Marseille bleiben. Doch das wäre nicht ausschlagge-bend, etwas anderes ist es: Ich kann dich nicht mitnehmen, weil du hier noch gebraucht wirst. Du mußt Luigi helfen, das Kind den Händen der Türken zu entreißen.

Sei nicht traurig, Selim. Vielleicht komme ich auch eines Tages wieder.«

»Vielleicht.« Der Neger macht eine wegwerfende Ge-bärde; er glaubt nicht daran. »Aber natürlich, jemand muß Parvisi beistehen. Ich werde es tun.«

Das wollte de Vermont hören. Hoffentlich ist Parvisi ebenso schnell bereit, Pläne und Vorschläge anzunehmen.

Mit genau bedachten Worten erklärt er dem Italiener dann, daß er nicht mehr an der Befreiung Livios teilnehmen kann.

Parvisi hat es längst geahnt, jetzt, da es Gewißheit ist, erbleicht er aber. Auch er, wie zuvor Selim, bleibt stumm auf die Worte des Freundes.

Dieses Schweigen ist bitter für den Franzosen. Er fühlt ja mit Luigi, glaubt etwas zu wissen von dem, was das Herz eines Vaters beklemmt, wenn die Hilfe für den Sohn in die Ferne zu rücken droht.

Erst nach einer geraumen Zeit spricht Parvisi: »Ich wünsche dir vollste Genesung, Pierre-Charles. Meinen Dank, verzeih, den kann ich nicht in Worte fassen.« , Warum fragt er denn nicht, was nun werden soll? denkt Pierre-Charles. Es geht doch um Livio. Hat der Freund alle Tatkraft verloren? Droht ein Rückfall in die Um-nachtung?

»Hör zu, Luigi! Meine Abreise ändert nichts an der Aufgabe, das Kind zu finden. Ich wünsche keinen Dank; denn wir sind Freunde fürs Leben. Was dich bedrückt, läßt auch mich nicht ungerührt. Ich hätte nicht geruht und gerastet, das



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